Interview mit Matthias Platzeck in der Frankfurter Rundschau

Veröffentlicht am 11.03.2005 in Landespolitik

„Die Politik des ‚Weiter so’ geht nicht mehr“

Ministerpräsident Platzeck will das Gießkannenprinzip
durch gezielte Förderung von Wachstumsregionen ersetzen

Frankfurter Rundschau:
Herr Platzeck, entwickeln Sie sich in der SPD zum Experten für unbequeme Wahrheiten?
Matthias Platzeck:
Es gilt für mich das von manchem für die die Politik bestrittene Prinzip: ehrlich währt am längsten.

Frankfurter Rundschau:
Die jüngste Wahrheit, mit der Sie halb Brandenburg auf die Barrikaden getrieben haben, ist die Reform der Wirtschaftsförderung.
Matthias Platzeck:
Wir haben in Brandenburg eine Arbeitslosenquote von über 20 Prozent, im vergangenen Jahr sind über 20 000 junge Leute abgewandert. Die Zahl der Einwohner geht durch den Geburtenknick in bestimmten Regionen drastisch zurück. Eine Politik des „Weiter so“ geht da nicht mehr.
Frankfurter Rundschau:
Das Gießkannenprinzip wird abgeschafft. Die Förderung fließt in die Wachstumsregionen…
Matthias Platzeck:
Die Gießkanne gibt es schon seit geraumer Zeit nicht mehr. Jetzt aber müssen wir uns auf die Regionen und Branchen konzentrieren, in denen zukunftsfähige Arbeitsplätze entstehen.
Frankfurter Rundschau:
Dass heißt, es gibt Regionen mit ökonomischen Perspektiven und solche ohne?
Matthias Platzeck:
Nein, aber nicht alle haben eine industrielle. Die Wachstumskerne müssen in die Lage versetzt werden, andere Regionen mit zu tragen.
Frankfurter Rundschau:
Brandenburgs Zukunft liegt in der Metropolregion, im Speckgürtel rund um Berlin?
Matthias Platzeck:
Das ist eine Zuspitzung. Der Wirtschaftsraum rund um Berlin entwickelt sich, das wirkt in das ganze Land hinein. Ich habe aber im selben Atemzug gesagt, keine Region des Landes wird abgekoppelt. Im übrigen: Etliche große Wertschöpfungszentren liegen im äußeren Raum.
Frankfurter Rundschau:
Aber die veränderte Infrastrukturpolitik ändert doch das Binnenverhältnis des Landes, im Speckgürtel wird weiter investiert. In den Randregionen werden Städte zurückgebaut, Schulen geschlossen.
Matthias Platzeck:
Die Frage ist, lassen wir zu, dass sich dieses Binnenverhältnis im Selbstlauf schlecht organisiert, wie bisher, oder sagen wir offensiv, wenn jemand an seinem Wohnort derzeit keine Perspektive hat. Dann ist es besser, er zieht innerhalb des Landes um, er macht sich in unsere Wachstumsregionen auf, statt nach Bayern.

Frankfurter Rundschau:
Seit ihrem Pro-Hartz-IV-Wahlkampf im Sommer gelten Sie ja als jemand, der mit unbequemen Wahrheiten Erfolg hat…
Matthias Platzeck:
… mal sehen wie lange das anhält.
Frankfurter Rundschau:
Zu welchen unbequemen Wahrheiten würden Sie angesichts von fünf Millionen Arbeitslosen dem Bundeskanzler raten?
Matthias Platzeck:
Wer, wie Gerhard Schröder, den größten Umbruch der Sozialsysteme seit 1945 initiiert hat, dem zolle ich großen Respekt. Der hat keine öffentlichen Ratschläge nötig.
Frankfurter Rundschau:
Kann die Bundesregierung jetzt die Hände in den Schoß legen?
Matthias Platzeck:
Wir müssen den Hartz-Reformen Zeit geben, sich zu entfalten. Schauen Sie sich die Gesundheitsreform an. Vor zwölf Monaten wurde diese als Flop verschrien, jetzt zeigen sich positive Wirkungen. Aber es darf keinen Stillstand geben, auch nicht vor Wahlterminen. Zum Beispiel bei der Pflegeversicherung. Wir brauchen auch eine intensive Diskussion zum Thema Unternehmensbesteuerung. Eine weitere generelle Entlastung von Unternehmen ist nicht vermittelbar. Wir sollten aber darüber nachdenken, Schlupflöcher für einzelne zu schließen, um dann zu einem niedrigeren Prozentsatz zu kommen, der vor allem dem Mittelstand zu Gute kommt.
Frankfurter Rundschau:
Auch über ein Konjunkturprogramm?
Matthias Platzeck:
Verantwortbar ist nur, wenn Investitionen, die sowieso geplant sind, vorgezogen werden. Ein neuer Schluck aus der Schuldenpulle ist es nicht.
Frankfurter Rundschau:
Alles Themen, die man auch auf einem Jobgipfel mit der Opposition besprechen könnte. Unterstützen Sie die Idee eines Paktes für Deutschland?
Matthias Platzeck:
Ich unterstütze alles, was Deutschland nach vorne bringt, selbst wenn es nur ein kleiner Schritt wäre. Die Lage ist so dramatisch, dass wir dafür jede Möglichkeit nutzen müssen. Aber ich bin gegen Schaufensterveranstaltungen.
Frankfurter Rundschau:
Halten Sie eine Einigung mit der Union für möglich?
Matthias Platzeck:
Wir werden sehen, ob die Union etwas anderes anzubieten hat, als den Abbau von Arbeitnehmerrechten, wie in die Union zum Subventionsabbau steht, etwa bei der Eigenheimzulage. Fakt ist, wir brauchen Investitionen in Bildung, in Forschung, in Entwicklung von Technologien.
Frankfurter Rundschau:
Was könnte denn die SPD anbieten?
Matthias Platzeck:
Was ich eben umrissen habe, gehört zu dem Paket.
Frankfurter Rundschau:
Also handelt man den Pakt nach dem Motto aus, ihr gebt uns die Eigenheimzulage dafür geben wir die Unternehmersteuersenkung?
Matthias Platzeck:
Das wäre ja mal ein Schritt.

Interview: Christoph Seils

 
 

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